Es hat nicht wirklich lange gedauert, bis wir wieder
vom Fernweh gepackt wurden und unsere Reisewahl auf Australien fiel.
Über Silvester wollten wir mit Carmen und Mathias in Melbourne
sein, danach mit der Fähre „Sprit of Tasmania“ übersetzen
um anschließend einen 80 Kilometer langen Fußmarsch durch
die wunderschöne, abwechslungsreiche und bizarre Landschaft der
Cradle Mountains zu unternehmen.
Die Überfahrt lief problemlos, morgens um kurz nach
6.00 Uhr landeten wir an und konnten recht schnell den Bus in die nächste
Hafenstadt erreichen. Keine Stunde später hatten wir die Tickets
für den Bus in die Cradle Mountains. Der wiederum fuhr keine Stunde
später schon nach dorthin ab.
Bis dahin hieß es: den kompletten Proviant und
die Ausstattung für die nächsten 6 Tage einzukaufen: IMPROVISATION
PUR.
Zudem musste das Gepäck so reduziert werden, dass man es für
diese kommenden Tage bergauf, bergab, über Hügel, durch Matsch,
Regenwälder, Hochebenen und in steilen Stiegen tragen konnte, ohne
darunter zu zerbrechen oder schlapp zu machen.
Die Stunde war schnell verstrichen und wir saßen
mit gut einem gutem Dutzend weiterer Wanderer im Bus ins Gebirge.
Dort am späten Vormittag angekommen standen wir
vor der Wahl: noch eine Übernachtung vor Ort oder gleich loslaufen:
die Wahl fiel auf Zweiteres; schnell Kartenmaterial, Mückenspray
und Anzünder im Camp eingekauft und keine 5 Stunden nach unserer
Ankunft auf Tasmanien standen wir schon in den Startlöchern für
unseren Wandertrip.
Die Wolken hingen tief und die Sonne hatte keine Chance
durchzudringen als wir die ersten Kilometer durch die Wildnis zurücklegten.
Gleich zu Beginn kamen einige Steilstücke die ein Vorgeschmack
auf die nächsten Tage werden sollten.
Von einfacher Wanderung war nichts zu spüren. Die
Wege teilweise zwar befestigt doch in einer Landschaft die alles zwischen
Wandern und Klettern abverlangte. Dafür war diese wunderbar beeindruckend.
Den Marsch in 5 Tagestouren eingeteilt, kamen wir am
ersten Spätnachmittag in der ersten Hütte an. Alle aus Holz,
robust und mit beeindruckender Grobheit gebaut gab es noch ein Plätzchen
für uns auf dem Dachboden. Der Komfort bestand aus einer indoor
Feuerstelle im Erdgeschoss, die von allen geteilt wurde und der Möglichkeit
die Fenster bei Nacht zu schließen. Ansonsten gab es eine Liegefläche
für alle (in dieser Nacht waren es ca. 15) Besucher, und eine bei
jeder kleinsten Bewegung knarrende Treppe - die Ankunft und Abreise
eines Jeden lautstark verkündete.
Das Böse in der Wildnis lauerte verborgen im Schönen.
Direkt hinter der Hütte gab es ein kleines Wäldchen, pittoresk
und träumerisch könnte es beschrieben werden. Leider hatte
Till die kleinen Blutegel, die sich an seinen Schuhen festgesaugt hatten
erst bemerkt, als er wieder zurück im Schlafraum war und diese
Würmchen sich an Schuhen und Hose hochangelten, um an etwas Essbares
zu gelangen.
Die Nacht war frisch aber der Schlafsack hielt warm.
Das morgendliche Frühstück bestand aus löslichem Kaffeepulver
in heißem Wasser und trocken Brot mit Marmelade. Die Mahlzeiten
waren nach einigen Tagen auch nicht mehr wirklich prickelnd, die Auswahl
wurde immer geringer und Tütensuppen und Tütenpasta hingen
uns irgendwann zum Hals raus.
Dafür entschädigte an jedem neuen Tag wiederum
die beeindruckende Landschaft mit Ihren facettenreichen Variationen.
Langgezogene Tiefebenen folgten auf fast schon alpine Landschaften.
In der Mitte unserer Wanderung bestiegen wir den höchsten Berg
Tasmaniens, den Mount Ossa (1617m), dessen schneebedeckte Grate für
unsere Wanderschuhe und Kleidung herausfordernd waren. Nur Carmen und
Mathias kamen bis zum Gipfel.
Die Abende waren ausgefüllt mit dem Erzählen
der immer gleichen Geschichte an verschiedene Mit- oder Entgegenreisende.
Wer wie lange von wo nach wohin schon unterwegs ist und natürlich
gab es auch Tipps für den Fortgang der Route oder den besten Weg
zu den wasserreichsten Wasserfällen. Einige der Hütten hatten
Zimmer und Holzbetten, auf denen man getrennt schlafen konnte –
ein Idealfall. Die meisten aber hatten eine ebene Fläche, auf der
man nebeneinander liegend die Schlafsäcke ausrollte und nur hoffen
konnte, dass der Nebenmann oder die Nebenfrau einigermaßen passabel
roch und nicht zu laut schnarchte in der Nacht.
Nach vier Übernachtungen gab es so was wie eine
kleine Meuterei. Die Nacht war unangenehm kalt gewesen und der Qualm
der Feuerstelle hatte die Schlafplätze die halbe Nacht über
in Nebel gehüllt.
Am Morgen gab es Nieselregen und auch das frühstückende Känguru
vor dem Eingang konnte nicht über eine gewisse „Sättigung“
an Outdoorerlebnissen hinwegtäuschen.
So beschlossen Stephan und Till die beiden letzten Etappen
bis zum rettenden Bootssteg und der allerletzten Fahrt über den
tiefblauen Bergsee zurück in die Zivilisation in einem Marsch zu
bewältigen. Die Strecke betrug ca. 20 km, die Uhrzeit für
die letzte Überfahrt der Fähre waren nicht bekannt. Aber die
Aussicht auf ein warmes, echtes Bett und noch besser auf ein echtes,
warmes Essen, das weder aus Dose noch aus Tüte kam spornte zusätzlich
an.
Die Sonne kam ab und zu durch die dichten Wipfel der
subtropischen Bewaldung. Auf dem Weg wurden nur zwei kurze Pausen eingelegt:
eine um zu trinken und eine um dem recht selten sichtbaren Schnabeligel
per Kamera und Laufschritt ins Dickicht zu folgen. - Er war schneller!
Keine fünf Minuten, nachdem wir am Anlegesteg angekommen
waren kam auch schon die letzte Fähre des Tages - um 14.30 Uhr
nachmittags. Bei der Überfahrt konnte man auf das massive und nur
scheinbar undurchdringliche Gebirge der Cradle Mountains zurückblicken.
Unser Entschluss war Gold wert. Nicht nur, dass der Burger
sensationell schmeckte, auch die Betten waren weich und komfortabel.
Stephan schätzte das Bier doppelt.
Da es im Lager nur noch ein 4-Bett-Zimmer gab, hatten wir keine Chance
dem lautesten Schnarcher südlich des Äquators zu entkommen.
Seine Frau versuchte ihn während der gesamten Nacht durch Klapse,
Tritte und Rufe zum Schweigen zu bringen, doch während dieser Nacht
sägte dieser Mann wirklich den gesamten umliegenden Wald ab. J
Beim Frühstück am kommenden Morgen trafen dann
auch Carmen und Mathias mit der ersten Fähre des Tages ein.
Und wiederum einen Tag später wurde die Route aufgrund
heftiger Schneefälle vorübergehend gesperrt. Wir hatten Glück,
denn im Laufe der letzten 2-3 Jahre hat dieser Walk so viele Besucher
angezogen, dass man hier zwischenzeitlich nur noch mit Voranmeldung
und Genehmigung wandern kann.
Anschließend fuhren wir zur Erholung in Tasmaniens
Hauptstadt Hobart, wo wir Carmen auf Ihrer 14-Monats-Welt-Tour zurückließen,
um mit Mathias nach Melbourne zu fliegen und ihn dort zu verabschieden.
Nach 4 Stunden Flughafenaufenthalt ging es zum Abschluss der vier Wochen
nach Perth. Unserer Lieblingsstadt, down under.